Peru und seine Krisen

Eigentlich hat sich nicht viel in Arequipa verändert. In der kolonialen Innenstadt gibt es nach wie vor viele der typischen kleinen Souvenir-Läden, Restaurants und Reiseagenturen. Und auch das Colegio Ludwig van Beethoven scheint sich auf den ersten Blick seit meinem Besuch 2019 kaum verändert zu haben.

Doch in den letzten drei Jahren hat sich einiges in Peru geändert. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Peru im März 2020 und der Absetzung Martín Vizcarras als peruanischer Präsident im November 2020 ist das politische System Perus nicht mehr zur Ruhe gekommen. So gab es bis zu den Neuwahlen im April 2021 mit Manuel Merino und Francisco Sagasti zwei Übergangspräsienten und zahlreiche Protestaktionen. Die anschließende Stichwahl (Juni 2021) zwischen dem linksgerichteten Pedro Castillo und der rechtsgerichteten Keiko Fujimori konnte Pedro Castillo äußerst knapp (44 000 Stimmen) für sich entscheiden. Seine Präsidentschaft zeichnet sich allerdings nur durch eine Kontinuität von Vorwürfen, Problemen und Protesten aus, politische, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Fortschritte gibt es keine. Bisher überstand er zwei Misstrauensvoten (ein weiteres wird aktuell von der Opposition vorbereitet) und es sind sechs Ermittlungsverfahren gegen ihn anhängig. Seine Regierung gilt als die instabilste seit der peruanischen Unabhängigkeit 1821, mit mehr als 60 berufenen/abberufenen Ministern in fünf Kabinetten in gut einem Jahr. Aktuell gibt es immer wieder Protestmärsche für und gegen ihn als Präsidenten und in wenigen Tagen wieder landesweite Streiks, eventuell sogar einen Generalstreik.

Zu dieser schweren politischen Krise kommen die Herausforderungen durch die weltweiten wirtschaftlichen Schwierigkeiten (bedingt durch Corona-Pandemie und Ukraine-Russland-Konflikt). So sind die Preise für Grundnahrungsmittel in den vergangen Jahren sehr stark gestiegen: bekam man in Peru vor Corona für 1 Sol (ca. 0,25 €) acht Brötchen sind es nun drei Brötchen für 1 Sol. Diese Preiststeigerung konnten auch wir während unserer Corona-Hilfsaktion und den damit verbundenen Essensausgaben beobachten.

Immerhin gibt es in Bezug auf die Essensausgaben an der Partnerschule des Beethoven-Gymnasiums trotz allem auch positive Nachrichten: So können die meisten Eltern der Schülerinnen und Schüler des Colegios Ludwig van Beethoven wieder einer Arbeit nachgehen und sind größtenteils nicht mehr auf unsere Unterstützung mit Lebensmittelpaketen angewiesen.

Im Gegensatz dazu steht die aktuelle Bedeutung des Angebots kostenloser medizinischer Behandlungen in den Polikliniken Espíritu Santo in Arequipa, die von uns finanziert werden. So wurden bisher über 440 Behandlungen durchgeführt, dabei entfielen 37% auf die Zahnmedizin und 9% auf die Augenheilkunde (s. Diagramm). Die Wichtigkeit gerade dieser beiden medizinischen Fachbereiche für sozial schwächer gestellte oder benachteiligte Gruppen ist nicht zu unterschätzen, da selbst die relativ geringen Kosten für Zahnbürste und Zahncreme (ca. 10 Soles) umgerechnet einige Mahlzeiten ergeben. Dies wurde mir nicht nur durch den Besuch eines Zahnarztes, der in der Schule die richtige Mundhygiene erklärt hat, und die Schilderungen verschiedener Lehrer verdeutlicht, sondern auch durch Berichte des Leitungsteams der Polikliniken Espíritu Santo. Dass es großen Nachholbedarf im Bereich der Augenheilkunde gibt, ist auch unseren beiden Freiwilligen am Colegio Ludwig van Beethoven aufgefallen. Sie berichten von zahlreichen Schülerinnen und Schülern, die die groß angeschriebenen Englischvokabeln an der Tafel teilweise sogar in den ersten Reihen nicht lesen können.

Die Fortsetzung des Angebots kostenloser medizinischer Behandlungen ist daher für uns zwingend notwendig, wenn auch vielleicht eine Fokussierung auf einzelne medizinische Fachbereiche, eng abgestimmt mit den Lehrkräften der Schule, eine sinnvolle Ergänzung darstellen könnte.


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